Proof of Concept für ein neues Automatisierungsparadigma: GEA und Schneider Electric
Niemand wird behaupten, dass die Automatisierungstechnik eine langweilige Branche sei. Denn was hat sich in den vergangenen Jahren nicht alles getan! Digitale Zwillinge wohin man schaut, Augmented-Reality-geführte Wartungsvorgänge und intelligente Maschinen, die sehen, riechen und schmecken. Die Möglichkeiten, die die Automatisierungstechnik derzeit bietet, sind faszinierend. Noch faszinierender wären sie allerdings, würden nicht proprietäre Steuerungssysteme eine weitere Entfaltung der Industrie 4.0-Potenziale verhindern.
Dass es auch anders geht und welch enormes Potenzial in einem unabhängigen Automatisierungsansatz steckt, das haben der Tech-Konzern Schneider Electric und der deutsche Maschinenbauer GEA nun gemeinsam gezeigt. Bei dem jüngst umgesetzten Proof-of-Concept geht es um eine Modularisierung der Prozessindustrie, MTP (Module Type Package) und einen grundsätzlich herstellerunabhängigen Automatisierungsansatz – also alles, was das Automatisierer-Herz höherschlagen lässt.
Prozessindustrie mit Modulen
Wenn es darum geht, flexibel auf schwankende Nachfrage, individuelle Kundenwünsche oder Lieferengpässe zu reagieren, zahlen sich modular veränderbare Produktionsabläufe aus. Auch verschiedene Branchen der Prozessindustrie, wie Pharma, Bio-Pharma oder Feinchemie, können davon profitieren. Insbesondere in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Pharmaunternehmen kommen häufig sogenannte Skids zum Einsatz, die für die Entwicklung von Medikamenten oder Impfstoffen bedarfsgerecht zu neuen Verfahren angeordnet werden müssen.
Ein solches Skid für die Pharmaindustrie ist der Pathfinder Separator von GEA. Er ist ideal für die Anforderungen im F&E-Bereich geeignet und dazu in der Lage, verschiedene Flüssigkeiten voneinander oder von Feststoffen zu trennen. So lassen sich etwa Wirkstoffe, die für die Medikamentenherstellung benötigt werden, aus Lösungen heraustrennen und isolieren.
Damit die Pathfinder Module künftig noch einfacher und schneller in neue Prozesse eingebunden werden können, hat sich GEA für eine technische Umsetzung mit Module Type Package entschieden. Im Sinne von MTP ist es möglich, Module herstellerunabhängig in MTP-fähige Leitsysteme zu integrieren und innerhalb eines Process-Orchestration-Layer (POL) beliebig mit anderen Modulen (auch anderer Hersteller) zusammenzuschalten. Damit dieser Ansatz funktioniert, werden die MTP-Module von einer maschinenlesbaren und herstellerneutral gehaltenen Beschreibungsdatei gemäß VDI/VDE/NAMUR 2658 begleitet. Der Inhalt dieser Datei erlaubt es dem Leitsystem, sofort alle wesentlichen Merkmale eines Moduls zu erfassen und dieses mit seinen je spezifischen Aufgaben in einen Prozess zu integrieren. Engineering-Aufwand und Umrüstzeiten sind so erheblich reduziert.
MTP und herstellerunabhängige Automatisierung
Für Maschinenhersteller wie GEA, die ganze Anlagen und auch einzelne Module verkaufen, besitzt ein Ansatz wie MTP logischerweise großes unternehmerisches Potenzial. Doch so einleuchtend und überzeugend sich die Idee hinter MTP auch anhören mag, in Bezug auf die Anwendbarkeit des bislang vorläufigen und komplizierten Standards bleiben Fragen offen. Der Grund: MTP ist ein herstellerunabhängiges Konzept in einer proprietär aufgebauten Welt. Heißt: Damit sich die einzelnen Module auch wirklich herstellerneutral in ein POL einbinden lassen, braucht es Leitsysteme, die diese Einbindung ermöglichen – und die sind bisher Mangelware.
Ganz anders stellt sich die Sache hingegen unter einem herstellerunabhängigen und softwarezentrierten Automatisierungsparadigma dar. Dieses wird den Anforderungen von MTP deutlich besser gerecht. Ähnlich zu MTP sieht es ebenfalls eine generelle Abstraktion von der Hardware vor, sprich: Steuerungen und dazugehörige Programmierumgebungen sind nicht mehr herstellerspezifisch miteinander verheiratet. Stattdessen ist durch IEC 61499 eine von der Hardware ganz und gar unabhängige Softwareschicht vorgesehen, innerhalb der weniger kodiert als vielmehr modelliert und parametriert werden muss. Anwendungen (einzelne Funktionen oder komplexe mechatronische Abläufe) liegen darin in Form von Softwarebausteinen (CATs) vor, die die eigentliche Komplexität sinnvoll für den Projektingenieur reduzieren. Die einzelnen Bausteine (etwa verschiedene MTP-Module) können dann mit nur wenigen Mausklicks zu ganzen Systemen oder Sequenzen zusammengeschaltet werden. Ein auf IEC 61499 basierendes Engineering-Tool wie EcoStruxure Automation Expert von Schneider Electric ist deshalb ein ideales Pendant für das herstellerneutrale MTP-Konzept.
EcoStruxure Automation Expert: Engineering-Tool und Prozessleitsystem
Im Rahmen des von GEA und Schneider Electric gemeinsam durchgeführten Proof of Concept kam der EcoStruxure Automation Expert gleich auf doppelte Weise zum Einsatz.
1. Auf Modulebene für die Automatisierung des Separators selbst: Ventile, Pumpen, Antriebe und Durchflussmesser konnten in der Software zusammengefügt und orchestriert werden, noch bevor überhaupt ein Stück Hardware verbaut wurde. Die derart modellierte Anwendung kann nun frei auf Hardwarekomponenten beliebiger Hersteller verteilt werden – ist also kopier- und portierbar.
2. Auf Prozessleitebene für die Integration und Orchestrierung der MTP-Module: EcoStruxure Automation Expert ist mehr als „nur“ ein Engineering-Tool, denn automatisierte Sequenzen können auch direkt aus der Softwareumgebung heraus ausgeführt werden. Insofern stellt das Tool eine Lösung für die im Fall von MTP bestehende Leitsystem-Problematik dar. EcoStruxure Automation Expert wird einfach auf dem gleichen Server wie ein vorhandenes SCADA oder MES-System installiert und die MTP-Module (auch Fremd-Module von anderen Herstellern) können in Form von vorgefertigten Softwarebausteinen zur gewünschten Anwendung oder Sequenz kombiniert werden. Spezielle, MTP-fähige Leitsysteme sind dann nicht mehr vonnöten.
Wie sich im Verlauf des von GEA und Schneider Electric verfolgten Projekts gezeigt hat, bietet ein herstellerunabhängiger und softwarezentrierter Automatisierungsansatz ideale Voraussetzungen für eine Umsetzung von MTP. Gleichzeitig konnten auch die enormen Vorteile für ein weniger fehleranfälliges und beschleunigtes Engineering in der Praxis erprobt werden: Sämtliche Hardwarekomponenten sind grundsätzlich miteinander interoperabel und einmal erstellte Programmstrukturen können per Copy-and-Paste auf andere Hardwaregegebenheiten portiert werden. Damit hat das Proof-of-Concept von GEA und Schneider Electric eine erhebliche Signalwirkung: Weit entfernt davon, bloß eine wissenschaftliche Theorie zu sein, ist herstellerunabhängige Automatisierung damit eine marktreife Option – mit Potenzial fürs Engineering, für eine modularere Prozessindustrie und nicht zuletzt für das Entstehen völlig neuer Geschäftsmöglichkeiten.
Erleben Sie hier interaktiv die Industrie der Zukunft: https://www.se.com/de/de/product-range/23643079-ecostruxure-automation-expert/#overview
Erfahren Sie mehr zum EcoStruxure Automation Expert: https://www.se.com/de/de/product-range/23643079-ecostruxure-automation-expert/#overview
Mehr Informationen zur herstellerunabhängigen Automatisierung: https://universalautomation.org/
Kommentar hinzufügen