Auf dem offenen Meer in 80 Metern Höhe auf einem metallenen Ungetüm arbeiten – für die meisten eine Horrorvorstellung. Für Martin Fröhner ist es ein Abenteuer – und eine willkommene Abwechslung vom Arbeitsalltag.
Martin Fröhner hält die Augen geschlossen. Die Szene um sich herum will und sollte er nicht sehen. Das Durcheinander desorientiert nur. Kaltes Wasser strömt über seinen Körper. Langsam aber sicher füllt sich die Helikopter-Kapsel, in der er sitzt, mit kaltem Nass. Fröhner bleibt fest angeschnallt. Gluckernd und schmatzend dreht sich die Welt um ihn herum. Der Helikopter kippt – unter dem Meeresspiegel. Jetzt heißt es: schnell reagieren. Er rüttelt an seinem Sicherheitsgurt. Nichts. Panik steigt in Fröhner auf. Er rüttelt ein zweites Mal. Nichts. Der Gurt ist verklemmt. Immer fester zerrt er, vom Überlebenswillen gepackt, an seinem Sitz. Nichts tut sich. Das Wasser steht schon längst nicht mehr nur bis zum Hals. Es ist überall.
„Wenn einer abschmiert, müssen die anderen zwei ihn ja retten können“
Alles Übung
Gott sei Dank, alles nur eine Übung. Martin Fröhner befindet sich in einem Trainingshelikopter. Gerade wird ein Absturz simuliert. An einem Kran wird der Dummy-Hubschrauber im Wasser versenkt und gedreht. Im Wasser sind Taucher und überwachen das Spektakel. „Diese Trainings sind so anstrengend, dass ich dachte: Das mache ich nie wieder!“, sagt Martin Fröhner heute trocken in seinem Büro sitzend. Die Taucher haben ihn aus dem Helikoptersitz herausgeholt. Alles unter Kontrolle. Aber seit wann werden eigentlich bei Schneider Electric Hubschrauber-Unfälle über Meeresfluten geprobt?
Excel am Tag, Wellenreiter bei Nacht
Seit 2012 ist Martin Fröhner bei Schneider Electric in Dresden beschäftigt. Nicht gerade der Ort für Übersee-Helikopter-Flüge – außer vielleicht bei einem Elbehochwasser. Fröhner hat jedoch einen besonderen Job. Es ist ein bisschen wie bei einem Superhelden: Projekt-Abwicklungs-Ingenieur bei Tag, Offshore-Windanlagen-Ingenieur bei Nacht. Am Tage bearbeitet der 32-jährige Projektierungen für Leittechnik. Wo immer eine eigene Energieversorgung genutzt wird, visualisiert er die elektrotechnischen Anlagen für unsere Kunden. Bei Nacht ist er jedoch auf dem Meer unterwegs. Der Unterschied ist nur, dass der Wechsel nicht zwischen Tag und Nacht ist, sondern wochenweise.
Jung, keine Bindung – auf ins Abenteuer!
„Eines Tages stand unser Chef vor unserem Team und sagte uns, dass Leute für den Offshore-Job gesucht werden. Da dachte ich mir, ich bin jung, mich bindet nichts, das klingt nach einem Abenteuer“, so erzählt Martin Fröhner heute, wie er an den Job gekommen ist. Es geht um die Inbetriebnahme eines Windparks in der Ostsee, Baltic II. Zwei Wochen am Stück soll Fröhner zwölf Stunden am Tag von Anlage zu Anlage fahren. Harte Arbeit, die entsprechend mit zwei Wochen Freizeit belohnt werden.
Kletterpark auf hoher See
Bevor Fröhner auf die hohe See darf, braucht er selbstverständlich Sicherheitstrainings. Und da, wenn die Wellen für die Seefahrt zu hoch sind, auch mal ein Helikopter die Arbeiter zur im Ozean stehenden Windkraftanlage fliegen, übt er auch hier den Ernstfall. „Zum Glück musste ich diese speziellen Fähigkeiten noch nie anwenden“, sagt er, „Anderes dagegen schon: „Wir haben in der Vorbereitung auch gelernt, wie man sich richtig sichert, abseilt und so weiter. Das brauchen wir dort draußen jeden Tag.“ Klettern an der Windkraftanlage? Ja, so ein Windrad auf dem Meer ist 80 Meter hoch. Allein um in den Sockel zu gelangen, müssen zehn Meter überwunden werden. Leichter gesagt, als getan.
Drei bis vier Anlagen in zwölf Stunden
„Um in den Sockel zu kommen, hält der Kapitän mit voller Wucht gegen die Windkraftanlage. Der Bug ist dafür extra gummiert“, erklärt Fröhner, „Bei drei Meter hohen Wellen ist das nicht so einfach: Wir müssen uns an die Leiter einhaken, da hochklettern, und dann noch unser Equipment nachholen. Einmal auf dem Sockel gibt es zum Glück ein Fahrstuhl, der uns nach ganz oben bringt.“ Im Windrad beginnen Fröhner und seine Kollegen dann mit der Arbeit. Dabei sind sie immer zu dritt. „Wenn einer abschmiert, müssen die anderen zwei ihn ja retten können“, so Fröhner. Mit verschieden Messinstrumenten testen sie, ob die Elektronik tut, was sie soll. Dann heißt es auf das Schiff warten, sich wieder abseilen und zur nächsten Anlage.
Und dann wäre da noch die Seekrankheit…
Klingt nach einem Knochenjob? „Eigentlich ist es ein angenehmes Arbeiten“, sagt Fröhner überraschenderweise, „Es macht auf jeden Fall Spaß. Man ist außerdem schwer erreichbar und kann sich auf die Arbeit konzentrieren“, lacht er, „Nur bei drei Meter hohen Wellen, da muss man schauen, wie man das Schiff verträgt.“ Ja, die Seekrankheit gehört natürlich auch dazu. Nicht jeder Elektrotechniker ist eine geborene Wasserratte. Am Ende entscheidet der Kapitän, ob es einer armen seekranken Seele ausreichend gut geht, um auf die Windanlage zu klettern. Wenn nicht, heißt es auf dem Schiff bleiben, bis der Einsatz beendet ist. „Das ist natürlich nicht viel besser, denn auf dem Windrad ist der Boden immerhin relativ fest. Auf dem Schiff schwankt alles weiter, den ganzen Tag lang.“, so Fröhner, „Zum Glück ist mir das nur ein einziges Mal passiert.“
„Nach den 14 Tagen Einsatz brauche ich die 14 Tage Freizeit“
Sehnsucht nach der Weite
Die schönsten Momente sind aber zwischen den Einsätzen. „Oben auf der Anlage ist ein Ring, wie bei einer Aussichtsplattform. Wenn das Schiff dann mal etwas länger braucht, stehst du da oben in der Sonne über dem Meer und genießt die Wartezeit“, schwärmt Fröhner. Auch wenn es harte Arbeit ist und man „nach den 14 Tagen Einsatz auch die 14 Tage Freizeit braucht“– am Ende genießt er die Einsätze. Manchmal, wenn er in Dresden im Büro sitzt, sehnt er sich schon nach dem Abenteuer, draußen auf der Weite des Meeres. „Vielleicht entwickle ich mich eines Tages in eine Führungsposition, sodass ich nicht mehr selbst zu den Windrädern herausfahre“, sagt Fröhner, „aber bis dahin mache ich das gerne und habe Spaß dabei.“
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