Nicht jeder denkt bei Schneider Electric gleich an Software. Aber natürlich braucht heute jede Gebäudeautomatisierung, jedes Smart Home und natürlich das Internet der Dinge (IoT) bzw. die Industrie 4.0 auch immer die passende Software – und jeder Anwender in der Praxis muss sie nutzen können. Das stellt Entwickler, Manager, Kunden, und die Kommunikation zwischen allen dreien, vor ganz neue Herausforderungen.
Wir gehen einen langen grauen Flur entlang. Das einzige Geräusch ist der Hall unserer Schritte und das Summen der Neon-Röhre. „Normalerweise gehen wir hier nicht runter“, sagt mir ein sichtlich nervöser Mann im Anzug. Er soll mir die Software-Entwicklung zeigen. Endlich erreichen wir eine Holztür. Direkt nebenan geht es zum Serverraum. Wir klopfen. Von innen hören wir ein Räuspern, dann ein Rumpeln, als würde sich jemand aus Geröll befreien. Die Tür öffnet sich. Vor uns steht ein junger Mann: dicke Brillengläser und Karohemd. Hinter ihm ein dunkler Raum, nur von einem Bildschirm mit endlosen Codezeilen beleuchtet. Daneben liegen alte Pizzakartons und Eistee-Tetrapacks. „Entschuldigen Sie bitte“, sagt der Anzugträger, „Normalerweise kommt er nur heraus, wenn was mit dem Server nicht stimmt.“
Übersetzer zwischen Techniker und Anwender
Keine Sorge, so sieht es hoffentlich in keinem Unternehmen mehr aus. Ganz sicher nicht bei Schneider Electric. Dennoch sah so oder so ähnlich das Zerrbild aus, was viele Menschen von der Software-Entwicklung hatten. „Heute ist Software-Entwicklung völlig anders“, erklärt uns Christian Platzer, Marketing Projektmanager bei Schneider Electric in Marktheidenfeld. Moment mal! Marketing? „Ich bin quasi der Übersetzer von dem, was der Anwender möchte, und was der Entwickler anbietet“, erklärt Platzer, „Im Upstream-Marketing schauen wir über diverse Analysen und in Gesprächen mit Kunden, was ein Produkt in Zukunft können soll und muss.“
Christian Platzer, 31 Jahre, nimmt bei Schneider Electric die Rolle eines SCRUM Product Owners ein. SCRUM ist, für die, die sich in der Welt der Entwicklung nicht so auskennen, ein neue Art des Entwicklungsmanagements: Teams übernehmen eigenständig Aufgaben aus einem Projekt, arbeiten in kurzen Intervallen von zwei bis drei Wochen, stimmen sich ständig innerhalb des Teams und mit den Kunden ab, Feedback wird früh und häufig in den Prozess aufgenommen, sodass der Kunde schnell Prototypen ausprobieren kann. „Ich als Product Owner habe dabei das Backlog, also alle zu erledigenden Aufgaben, im Blick. Alle zwei Wochen treffen wir uns im Team, und schauen was wir geschafft haben, wo Herausforderungen lagen, wie es in den nächsten zwei Wochen weitergeht und wie die Zusammenarbeit läuft. Ich gebe Vorschläge zur Priorisierung an das Team weiter, und stimme mich darüber hinaus mit den Kunden ab“, so erklärt Platzer seine Rolle. Doch wo liegt eigentlich der Vorteil zum klassischen Wasserfallmodell, bei dem am Anfang eines Projekts alle Anforderungen definiert und nach und nach abgearbeitet werden?
Lieber ein wendiges Boot als ein schneller Dampfer
„Der Begriff ‚agil‘ beschreibt es sehr gut: Wir sind nicht schneller aber dafür wendiger“, so Platzer. „Die Projekte bei Schneider Electric sind äußerst komplex, da ist es besser ein kleines wendiges Boot zu sein, dass schnell auch mal die Richtung ändern kann, als ein großer schwerer Dampfer, der zwar schnell ist, aber einen riesigen Wendekreis hat.“ Anders als beim Wasserfallmodell, erfahren die Entwickler ständig, ob ihr Kunde etwas mit dem neuen Produkt anfangen kann. Die Entwicklungsprojekte sind viel zu komplex, um an Anfang alle Anforderungen an das Produkt zu Überblicken. Anhand von Prototypen kann der Anwender testen, ob das Produkt seinen Zweck erfüllt. Es wird so schnell klar, was er braucht, in welcher Form er es braucht und in welchem Kontext er es anwendet. „So merken wir viel schneller, ob wir in die falsche Richtung fahren“, sagt Platzer. Damit dieses Feedback zwischen Anwender und Entwicklung funktioniert, gibt es Personen wie ihn.
Aus der Praxis lernen
Als studierter Informatiker hat Christian Platzer selbst in der Software-Entwicklung bei Schneider Electric gearbeitet, dort auch sein Praxissemester im Studium verbracht und seine Diplomarbeit geschrieben. Er kennt also diese Seite der Produktentwicklung. Um die Seite der Anwender und Kunden kennenzulernen, setzt ihn Schneider Electric ein halbes Jahr in den USA bei einem Applikationsingenieur ein. So wird ihm bei einem „Training on the job“ die Praxisseite nähergebracht, bevor er sich in die Richtung des „Research and Development“ bewegt. „Von der Erfahrung zehre ich heute noch“, sagt Platzer, „Zu sehen, wie dort gearbeitet wird, welche Herausforderungen es gibt und wie sie gelöst werden.“
Nach weiteren drei Jahren in der Software-Entwicklung und einem Wechsel ins Marketing, wird er, als jemand der beide Seiten kennt, früh einbezogen, als Schneider Electric die Software Entwicklung auf „agil“ umstellt. So wird er schließlich Teil von Pilotprojekten. „Die Rolle zwischen dem Anwender zu sein, der gar nicht so genau kommunizieren kann, was er braucht und dem Entwickler, der vielleicht gar nicht so genau weiß, wie er helfen kann, macht unheimlich Spaß“, sagt Christian Platzer, „Henry Ford sagte einmal zu seiner Erfindung des Automobils: ‚Hätte ich die Leute gefragt, was sie brauchen, hätten sie gesagt, sie bräuchten schnellere Pferde.‘ So denken wir hier auch: Einen Schritt weiter, immer in der Überlegung, was der Kunde wirklich braucht.“
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