Was passiert, wenn ein Software-Architekt anfängt zu imkern? Eine industrielle Revolution im Bienenstock! Schneider Electric Kollege Marcus Zinn hat sie angestiftet.
Voller Vorfreude steht Marcus Zinn auf einer kleinen Wiese hinter seinem Arbeitsplatz in Marktheidenfeld. Der Ausblick auf die umliegenden Felder ist weit – weit und vor allem gelb. Raps blüht hektarweise soweit das Auge reicht. Normalerweise ist Marcus Zinn Software-Architekt bei Schneider Electric, heute jedoch schlüpft er in sein Alter-Ego. So wie Peter Parker und Spiderman oder Superman und Clark Kent.
Ganz selbstbewusst, jedoch bedacht und auf jeden Eindruck konzentriert, nähert er sich einem Holzkasten, der unauffällig in der Sonne steht. Mit einem Netz vorm Gesicht und in einen weißen Anzug gehüllt öffnet er einen Deckel: Das Brummen ist ohrenbetäubend. „Als würde ich neben einer Autobahn stehen“, sagt Zinn. Für ihn ist dieser Moment pure Entspannung. Jetzt ist er ganz Imker, seinen Alltag und seine tägliche Arbeit kann er ganz hinter sich lassen – Oder zumindest fast.
„Leading Edge Technology: Daran möchte ich arbeiten!“
Für einen Mann wie Marcus Zinn ist das Basteln an Software, Technik und Daten nicht nur Beruf, sondern auch Hobby. Schon 2005 baute er mit einem Freund einen Quadcopter, noch bevor es auch nur Teile dafür in irgendeinem Laden gab. 2010 stellt er einen funktionierenden 3D-Drucker zusammen, lange bevor die Geräte bei Online-Händlern im Sortiment waren. „Ich möchte Technologie selbst erfahren, selbst ausprobieren und austüfteln“, sagt Zinn. „Leading Edge Technology: Daran möchte ich arbeiten!“ Kein Wunder, dass er für alle IIoT (Industrial Internet of Things)-Anwendungen im mobilen Bereich zuständig ist. Da überrascht es auch wenig, dass er seine Technikfaszination auch beim Imkern nicht ablegt.
In seiner täglichen Arbeit entwickelt Zinn Software für Industrieanlagen. Der Kunde soll eine Industrieanlage vom Handy aus steuern können, alle verfügbaren Daten stets abrufbereit. Warum also, dachte sich Zinn, soll er nicht auch seine Bienen vernetzen? Doch was gibt es da überhaupt zu messen? Und was erhoffen sich Zinn und seine Imkerkollegen davon?
Wenn der Bienenstock sanft brummt
Wir sind zurück auf der Wiese. Marcus Zinn in seinem weißen Anzug, Netz vorm Gesicht und ganz bei sich. 50.000 Bienen stehen in der Luft und brummen unisono was das Zeug hält. „Das muss man sich vorstellen wie bei einem Sportwagen“, erklärt Zinn. „Ich mache den Deckel auf und das Bienenvolk wird laut wie ein jaulender Motor und geht auf Hochtouren. Nach kurzer Zeit pegelt sich der Bienenstock jedoch ein und brummt sanfter, so wie ein Motor nach dem Start. Wenn es so ist, weiß ich, dass alles gut ist im Volk.“ Wenn aber nicht alles gut ist? Was, wenn der Stock von einem Schädling befallen ist oder wenn sich das Bienenvolk bereitmacht zu schwärmen, also ein neues Zuhause zu suchen? „Dann ist die Frequenz ganz anders“, so Zinn. „Dann bleibt der Motor hochtourig und aggressiv.“ Genau das brachte ihn auf eine Idee.
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Brummen ist nichts anderes als Vibration. Wenn er diese Messen könnte, wäre es möglich, Muster im Vibrationsverhalten der Bienen zu erkennen. So könnte er, ohne auch nur in der Nähe des Stocks zu sein, herausfinden, ob alles in Ordnung ist mit seinem Schwarm. Eine IIoT-Anwendung für Bienenstöcke war geboren. „Dazu sollte man wissen, dass Imker im Sommer einmal pro Woche in den Bienenstock schauen müssen. Sonst riskieren wir, dass der Stock sich teilt und die Hälfte der Bienen ein neues Zuhause sucht. Andererseits ist jedes Öffnen des Stocks eigentlich eine unnatürliche Störung, die wir vermeiden wollen“, erläutert Zinn. Mit der Anwendung wäre es möglich, seltener in den Stock zu schauen.
Mehr Technik, dafür weniger Stören
Heute ist Zinn diesem Ziel schon ein gutes Stück näher. Er hat in seinen Bienenstöcken Beschleunigungssensoren („Die kosten nur ein paar Euro!“, so Zinn) eingebaut, wie sie auch bei Erdbeben-Messstationen verwendet werden. Die Sensoren speichern jedes Brummen auf einer SD-Karte und können über ein eigenes kleines Funknetz unnatürliche Bewegungen ins Netz schicken. „Ich habe das auch in meinem Imkerverein angeregt und eine Menge Freiwillige gefunden, um ein überregionales Funknetz aufzubauen“, erzählt Marcus Zinn stolz. „Das hat Potential!“
„Man trifft im Imkerverein Rechtsanwälte, Arbeitssuchende oder eben auch Ingenieure – Die Honigbiene interessiert jeden!“
Das große Ziel für Marcus Zinn ist, die Daten so auswerten zu können, dass er die Vibration einordnen kann: Das ist normales Sommerbrummen, dieses Brummen heißt, es ist zu kalt im Winter, und jenes Brummen sagt einen Milbenbefall an. Dafür müsste man die Bienen weniger stören. Schließlich bedeutet jedes Öffnen des Deckels auf das Risiko, die Königin aus Versehen einzuquetschen. Auch könnte im Winter, in dem die Imker die Bienen in Ruhe lassen, die Vibration des Bienenstocks Auskunft darüber geben, ob er krank, zu kalt oder befallen ist. Letztendlich bedeutet es auch eine Arbeitserleichterung, wenn der Stock seltener überprüft werden muss. Wie Zinn sagt: „Wenn man jede Woche einmal den Stock aufmacht, klingt das nicht nach viel Arbeit. Hat man aber 13 Stöcke, geht da ganz schön Zeit drauf.“
Wenn der Arbeitgeber der beste Honig-Kunde ist
So revolutioniert ein Software-Architekt von Schneider Electric nebenberuflich das alte Imkerei-Handwerk. „Das Tolle an der Imkerei ist, dass es jede Klientel interessiert. Man trifft im Imkerverein Rechtsanwälte, Arbeitssuchende oder eben auch Ingenieure“, so Zinn. „Die Honigbiene interessiert jeden.“ Auch den Standortleiter von Marktheidenfeld. Der erlaubt nicht nur die 250.000 Haustiere auf dem Gelände, er ist auch noch der Hauptabnehmer des Honigs. Rund 50 Kilogramm Honig werden qua Etikett zu „Zenit-Honig“, benannt nach dem Standort in Marktheidenfeld von Schneider Electric, der ebenso den Namen „Zenit“ trägt. Ein beliebtes Geschenk für Gäste oder ausgefallenes Mitbringsel für Kunden.
Zinn schließt den Deckel. Die Bienen brummen zufrieden. Der Motor vibriert locker vor sich hin. Für Zinn hat es sich in doppelter Hinsicht gelohnt, bei Schneider Electric seine Karriere auszubauen. Vor zehn Jahren lockten Zinn die Aufstiegsmöglichkeiten und die Perspektiven im Konzern, die ihm der Mittelständler, bei dem er zuvor war, nicht hätte bieten können. So konnte der gelernte Wirtschaftsinformatiker nebenberuflich einen Doktor in Computerwissenschaften ablegen und zudem Bienen züchten. Die Bienen hat er, um den Arbeitsalltag hinter sich zu lassen; den Doktor, um zu unterrichten. An der Uni in Darmstadt und in Frankfurt leitet er Seminare. „Ich arbeite unheimlich gerne mit jungen Leuten“, so Zinn. „Als Manager arbeite ich schließlich auch mit einem jungen Team zusammen – die meisten sind unter 30.“ Wer Marcus Zinn zuhört, merkt sofort, dass er seine Arbeit gerne macht. Seine Begeisterung für Technik ist ansteckend. „In meinem Job trage ich viel Verantwortung, es geht um richtig viel. Das gefällt mir“, so Zinn. Und wer sich so hingebungsvoll um 250.000 Bienen kümmert, der weiß sicherlich auch, wie er ein gutes Team zum Erfolg führt.
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