Homosexualität im Job – Thema oder Tabu? Erfahrungen von Philippe Ferreira Duarte

Philippe Ferreira Duarte arbeitet an unserem Standort in Ittigen in der Schweiz. Anlässlich des „Pride Monats 2018“ haben wir mit ihm über das Thema Homosexualität im Job und seine Erfahrungen nach seinem Coming Out gesprochen.

Philippe, erkläre uns kurz, seit wann du schon bei Schneider Electric arbeitest und was du aktuell machst.

Ich bin seit Januar 2013 bei Schneider Electric in der Schweiz und arbeite aktuell als „Master Database Supply Chain Specialist“ im Master Data Team in Ittigen, hier kümmere ich mich beispielsweise um die Stammdatenbetreuung und -pflege die Daten im SAP.

Wie lief Dein Outing bei Schneider Electric ab?

Geoutet „im klassischen Sinne“, also dass man sich hinstellt und sagt „Ich bin schwul und das ist gut so“ oder sowas habe ich nicht gemacht, sondern ich war einfach, wer ich war. Und wenn jemand gefragt hat, was ich am Wochenende mache, war ich ehrlich und hab gesagt, dass ich mit meinem Partner unterwegs bin. Und das war dann eigentlich das Outing – quasi zwischen den Zeilen.

Philippe Ferreira Duarte

Wie haben Deine Kollegen reagiert?

Schockiert war keiner, einige waren vielleicht ein bisschen erstaunt, aber die meisten Arbeitskollegen, egal ob männlich oder weiblich, haben völlig locker reagiert. Es kamen höchstens interessierte und manchmal auch lustige Fragen, wie das denn so ist bzw. wie ich privat damit umgehe.

Oder es kommt mal ein Spruch in die Richtung: „Hast du das jetzt auch gesehen?“ Auch Kollegen, die z. B. auf Frauen stehen, machen manchmal solche Späße. Dabei hatte und habe ich nie das Gefühl, dass es gegen mich ist, sondern eher für mich.

Hat sich danach etwas geändert im Berufsalltag?

Insgesamt hat sich beim ersten und jetzt auch beim zweiten Job hier bei Schneider gar nichts verändert – keine Distanz, nicht mehr oder weniger Kontakt. Der Umgang mit meinen Kollegen ist hervorragend, wir gehen zusammen Mittag essen etc. Alles ganz normal. Man mag mich einfach so als Person, wenn man mich mag, unabhängig von dem Etikett „schwul“.

Wie würdest du Schneider Electric als Arbeitgeber dahingehend beschreiben?

Ich würde Schneider diesbezüglich als sehr „liberal“ und „fair“ bezeichnen. Ich erinnere mich da gerne an etwas zurück, was ich als sehr positiv empfunden habe: Als ich geheiratet habe (in der Schweiz ist es noch die eingetragene Partnerschaft) gab es von Schneider zwei freie Tage offiziell und einen kleinen Bonus aufs Gehalt. Und das passiert jedem, es werden keine Unterschiede gemacht. Eine gelebte gleichgestellte Kultur. Deshalb finde ich es schön, in einer Firma zu arbeiten, wo es egal ist, worauf man steht. Schneider wird da seiner Rolle als Weltkonzern völlig gerecht.

Wusstest du, dass Diversity & Inclusion zur Unternehmensphilosophie von Schneider Electric gehört?

Das war mir bis heute gar nicht so klar. Als ich das dann gelesen hab, hat es für mich total Sinn gemacht. Es passt einfach zur multikulturellen Firmenphilosophie – die sexuelle Orientierung gehört genauso dazu, wie die Herkunft zum Beispiel. Ich leide nur für die Leute mit, die in Ländern leben, wo sie sich immer noch aufgrund ihrer Sexualität verstecken müssen. Ich finde, das ist eine Sauerei. Ich würde mir wünschen, dass es nirgends mehr ein Thema ist.

Hast du andere Erfahrungen (bei anderen Arbeitgebern) gemacht?

Das klingt jetzt vielleicht etwas egoistisch auf mich persönlich bezogen, also auf meine Persönlichkeit, aber es hat soweit ich mich erinnern kann noch nie eine Rolle gespielt, nirgends, in keiner Firma. Darum sehe ich auch keine großen oder kleinen Unterschiede, sondern bin halt immer froh, wie man mich aufnimmt oder aufgenommen hat. Man muss ja auch nicht immer drüber sprechen – vor allem hat man ja auch seine favorisierten Kollegen. Es sind ja auch so viele Kollegen vor Ort, deswegen hat man eh nicht mit allen was zu tun, ob schwul hin oder her (lacht).

Inwiefern spielt die Persönlichkeit dabei eine Rolle?

Ich kann mir gut vorstellen, dass jemand, der eher introvertiert ist, eher Probleme damit hat, die „Grenze“ zu überwinden. Jemand mit mehr Charisma kann ggf. besser kontern bei Sprüchen oder nimmt es nicht ganz so ernst. Vor allem auch, wenn es dann wirklich mal zu Beleidigungen kommen sollte. Oder man denkt sich einfach seinen Teil.

Viele LGBTI-Menschen verschweigen ihre sexuelle Identität im Job. Was glaubst du, kann das für Konsequenzen haben?

Ich denke, dass es eine extreme Last sein kann für Leute, die Angst haben sich zu outen. Dass ständig was „Unausgesprochenes“ im Raum steht – gerade im Alltag. Wenn man sehr gut damit leben kann und sich nicht outet möchte, kann das auch genauso okay sein. Ist ja kein Zwang. Das kann aber auch sehr an der Psyche nagen, wenn man sich beispielsweise gezwungen fühlt, immer ein „Lügenkonstrukt“ aufrechtzuerhalten bzw. das Thema zu verschweigen. Man hat ja eh Arbeitsdruck und dann noch den psychischen Stress mit dem Versteckspiel, das hält ja keiner auf Dauer aus.

Was würdest du bislang im Job nicht geouteten Menschen raten?

Wichtig ist vor allem das Vertrauen zum jeweiligen Vorgesetzten. Wenn das stimmt, auch mit diesem sehr persönlichen Aspekt, dann bist du sowieso safe. Auch für andere bei Schneider, wenn die Personen einen guten Vorgesetzten haben, dann sind sie schonmal gestärkt fürs Team in Bezug darauf.

Ansonsten würde ich es bei Gelegenheit einfach auf ruhige und natürliche Art und Weise einfließen lassen, dass man z. B. mit dem Freund unterwegs war oder ein Date hatte – ohne Zwang und Druck. Und es so die Leute wissen lassen und gar keine Etikette benutzen, also hinstellen und rausschreien halte ich für unnötig.

Warum hältst du Etikette für unnötig?

Es gibt tatsächlich noch Leute, die sich vor Wörtern wie schwul oder lesbisch schaudern. Dann lieber Wörter verwenden, die jeder täglich benutzt, das klingt selbstverständlicher und weniger plakativ. So geht man auch dem Schubladendenken aus dem Weg und ich denke, dass es auch angenehmer für die Person selbst ist. Schwul-sein ist nicht besser oder schlechter als andere Sexualitäten. Ich würde das auch immer wieder so handhaben. Ein schönes Beispiel dazu: Mein Vater hat immer gesagt, dass er seinen Arbeitskollegen nie erzählt hätte, dass seine Tochter heterosexuell ist (das ist auch ein Etikett).

Philippe, vielen Dank für das Interview!

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