Elektrifizierung und Effizienzoptimierung machen umweltfreundliche Stahlproduktion möglich

Stahl ist ein unverzichtbarer Rohstoff für viele Bau- und Konstruktionsprojekte – egal ob Gebäude, Schieneninfrastruktur oder Maschinen. In den letzten 50 Jahren hat sich die jährliche Nachfrage nach Stahl verdreifacht. Im Jahr 2023 wird sie voraussichtlich 1,8 Megatonnen erreichen. Dieser Bedarf geht jedoch mit enormen Emissionen einher. Schließlich ist 70 Prozent der Stahlproduktion weltweit beim Betrieb der Hochöfen auf Kohle angewiesen. Für jede Tonne Stahl, die sie herstellen, emittieren Stahlwerke circa 1,7 Tonnen CO2. Allein dadurch ist die Stahlindustrie für bis zu 9 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich.

Aufgrund der Klimakrise steht der Branche nun ein Wandel bevor. Große Stahlverbraucher wie die Automobilindustrie haben sich ambitionierte Scope-3-Emissionsziele gesetzt. Sie wollen auch die Kohlenstoffemissionen senken, die nicht von ihnen selbst erzeugt werden, sondern in der Wertschöpfungskette entstehen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben und die Rentabilität zu steigern, müssen die Stahlwerke auf diese Erwartungen ihrer Kunden reagieren. Das bedeutet, „grünen Stahl“ zu produzieren – also eine emissionsarme Version, die auf Elektrizität als Energieträger zurückgreift. Um die Kosten dieses Wandels einzudämmen, lohnt es sich, die Energieeffizienz der Stahlproduktion mit Software zu optimieren. 

Wasserstoff-Reduktion und Lichtbogenofen

Die besondere Schwierigkeit bei der Dekarbonisierung der Stahlproduktion liegt darin, dass fossile Energieträger auch Teil des chemischen Prozesses sind. In konventionellen Hochöfen dienen Kohle oder Erdgas als Reduktionsmittel, die Sauerstoff aus dem Eisenerz (Eisenoxid) ziehen. So entstehen elementares Eisen und CO2. Für einen Übergang zum CO2-neutralen Betrieb ist daher ein anderes Reduktionsverfahren nötig.

Ein vielversprechender Ansatz ist die Produktion von sogenanntem direktreduziertem Eisen (DRI), bei dem die Reduktion des Eisenerzes mit Wasserstoff erfolgt. Anstelle von CO2 entsteht so Wasserdampf als Abfallprodukt. Wird der Wasserstoff durch Elektrolyse hergestellt und stammt der dafür benötigte Strom aus regenerativen Quellen, handelt es sich hierbei um einen CO2-freien Prozess. Wie dieses Verfahren funktionieren kann, zeigt etwa das Unternehmen Tenova, das wasserstoffbetriebene Direktreduktionsanlagen entwickelt. Diese produzieren hochwertige Eisenpellets für nachgeschaltete Elektroöfen. Im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren ermöglicht diese Technologie eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 50 bis 90 Prozent.

Mit dem Elektro-Lichtbogenofen (electric arc furnance, EAF) existiert bereits seit Jahrzehnten eine bewährte, elektrische Technologie für das Schmelzen von Eisen. Bisher wird diese für das Recycling von Stahlschrott verwendet. Ein EAF kann aber auch Roheisen schmelzen, inklusive des im DRI-Verfahren produzierten sogenannten Eisenschwamms. Auch dieser Teil der Stahlproduktion ist dekarbonisierbar: Dazu muss der Lichtbogenofen nur mit grünem Strom versorgt werden. Ein weiterer Vorteil des Verfahrens: Die Temperatur ist besser kontrollierbar. Dadurch läuft ein EAF effizienter als ein herkömmlicher Hochofen.

Erfolgreiche Elektrifizierung heißt auch: Effizienzoptimierung

Stahlwerke der neuen Generation benötigen also große Mengen an Strom entweder für die Wasserstoffherstellung oder zum Betrieb des Lichtbogenofens. Allein auf elektrische Energie entfallen dann 30-40 Prozent der Kosten in der Stahlproduktion. Um diese Kosten zu senken, müssen Unternehmen die effiziente Energienutzung in ihren Werken sicherstellen. Hier können digitale Prozess- und Energiemanagementlösungen auf verschiedene Arten zu einer umweltfreundlichen Stahlproduktion beitragen. Beispiele dafür sind ein digitaler Zwilling der Produktionsanlage, die Zusammenführung von Energie- und Prozessdaten in einer Monitoringlösung, oder Energiemanagement mittels eines Microgrid.

Digitaler Zwilling

Ein digitaler Zwilling ist eine virtuelle Repräsentation eines materiellen oder immateriellen Objekts oder Prozesses. Solche meist Cloud-basierten Modelle einer Anlage versetzten Ingenieure in die Lage, die Steuerungslogik anhand detaillierter Grafiken in einem virtuellen Szenario zu testen. Dadurch ermöglichen es digitale Zwillinge, schon während der Konstruktionsphase Ineffizienzen zu beseitigen und den Maschinenbauprozess zu optimieren. Beides trägt dazu bei, Energieverbrauch und CO2-Emissionen zu senken.

Die Schneider Electric Tochterunternehmen AVEVA und ETAP bieten diverse digitale Zwillinge an. Zum Beispiel für die mechanische Konstruktion, die Automatisierung sowie für die elektrischen Anlagen eines Werks. Auf der Basis einer granularen Datenerfassung mit vernetzter IoT-Sensorik können Ingenieure im Modell den Anlagenzustand genau erkennen. So sehen sie, wo Effizienzsteigerungen in der Stahlproduktion möglich sind und wie Ausfallzeiten vermieden werden können. Darüber hinaus helfen solche Tools dabei, Wartungsteams effizienter zu schulen und Fehler einfacher zu beheben.

Konvergenz von Energie und Prozessen

Um Prozesse optimal und energieeffizient zu steuern, ist ein transparenter Blick in die zugrundeliegenden Daten unerlässlich. Besonders aus der gemeinsamen Betrachtung von Energie- und Prozessdaten entstehen Synergien, aus denen sich die Prozessleistung verbessern lässt. So sinkt der Energieverbrauch bei der Stahlproduktion und damit auch die Energiekosten. Dazu sagen mathematische Modelle beispielsweise den optimalen Mix aus Strom-, Wasserstoff- oder alternativem Brennstoffeinsatz voraus.

Die von Schneider Electric und AVEVA zusammengestellte Lösungsarchitektur EcoStruxure Power and Process führt Elektro- und Automatisierungssysteme zusammen. Dadurch beseitigt sie Datensilos und trägt zur Optimierung einer verfahrenstechnischen Anlage oder eines Unternehmens bei. Die kombinierte Betrachtung und Auswertung von Energieverbräuchen und Produktionsdaten ermöglicht Rückschlüsse darauf, wie energieintensiv die Herstellung eines Produktes war. Sogar die Energiestückkosten lassen sich bestimmen. Auf diese Weise ist es möglich, die für eine Scope-3-Auswertung des Kunden nötigen Daten zu liefern.

Microgrids

Erneuerbare Energien leisten einen wichtigen Beitrag zur umweltfreundlichen Stahlproduktion. Entsprechend wird auch die effiziente Verwaltung verschiedener Energiequellen immer wichtiger. Cloud-basierte Microgrid-Management-Lösungen wie EcoStruxure Microgrid Operation ermöglichen zum Beispiel die Steuerung lokaler Energieerzeuger, Batteriespeicher sowie Lasten. In Zeiten instabiler Versorgung befähigt die Lösung zu einem kurzzeitigem Inselbetrieb. Besonders in den kritischen Bereichen der Stahlproduktion, wo die Stromzufuhr niemals abreißen darf, ist das von Bedeutung.

Zusätzlich sind Optimierungs-Tools verfügbar, die auf Basis der vorliegenden Energie- und Prozessdaten Handlungsempfehlungen geben. Dank intuitiver Benutzeroberflächen müssen Nutzer keine technisch versierten Energieexperten sein. Wenn sie im Dashboard ihren Energieverbrauch genau kontrollieren und optimieren, können sie Energierechnungen senken, ihren CO2-Fußabdruck minimieren und betriebliche Flexibilität gewährleisten.

Zusammenfassung

Mit der Elektrifizierung der Stahlproduktion über Elektrolichtbogenöfen (EAF) und direktreduzierte Eisenverfahren (DRI), lassen sich die CO2-Emissionen der Stahlindustrie erheblich verringern. Nicht nur der Nachhaltigkeitsgedanke ist hier eine wichtige Triebkraft. Eine Rolle spielt auch die Suche der verarbeitenden Unternehmen nach Zulieferern, die mit grünem Stahl ihre Scope-3-Emissionen reduzieren. Die Folge: Stahlunternehmen weltweit investieren massiv in die Umrüstung ihrer Werke.

Um die Kosten für die neuen Prozesse möglichst gering zu halten, müssen die Stahlproduzenten die für die Fertigung von grünem Stahl benötigte elektrische Energie möglichst effizient einsetzen. Dazu stehen ihnen moderne Softwarelösungen zur Verfügung. Digitale Zwillinge reduzieren sowohl bei der Planung als auch in der laufenden Stahlproduktion das Fehler- und Ausfallrisiko. Werden Energiemanagement- und Automatisierungssysteme in eine IoT-Architektur zusammengeführt, ergeben sich nicht nur Effizienzverbesserungen im Prozess. Auch genaue Aussagen über die Energiestückkosten sind dann möglich. Microgrid-Lösungen helfen dabei, lokal erzeugte Energie und Lasten optimal aufeinander abzustimmen. Im Notfall können sie die Energieversorgung lange genug aufrechterhalten, dass ein kontrolliertes Herunterfahren möglich ist.

Wenn Sie noch mehr darüber erfahren möchten, wie Stahlwerke ihre CO2-Emissionen reduzieren und Energiekosten senken können, dann sehen Sie sich die gemeinsame Live-Sitzung von Tenova, AVEVA und Schneider Electric an (in englischer Sprache).

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