Klaus-Peter Gluth ist Service-Expert bei Schneider Electric und immer da, wenn es knifflig wird und flexible Lösungen gefunden werden müssen. Spontanität, Flexibilität und Fingerspitzengefühl hat er im Blut. Und diese Eigenschaften braucht er auch, wie sein aktuelles Projekt beweist: Zusammen mit anderen Partnern nimmt er derzeit eine Gaskompressoranlage im Irak in Betrieb, nicht ganz einfach, 4.800 Kilometer entfernt von Zuhause. Wir haben mit Klaus gesprochen und erfahren wie es ist, eine Öl- und Gasförderanlage auf einer Baustelle mit ca. 2.000 Menschen, Mitten in der Wüste, aufzubauen.
Lieber Klaus, ein Projekt im Irak und dann auch noch in dieser Größenordnung hat man nicht alle Tage auf dem Tisch – kannst du das Projekt kurz umreißen?
2015 haben wir das Projekt initiiert und sind derzeit weit in der Inbetriebnahme fortgeschritten. Im Gebiet um die kleine Stadt Badra, ca. 200 Kilometer östlich von Bagdad und 10 Kilometer von der iranischen Grenze, wird Öl gefördert. Bei der Ölförderung entsteht auch Gas. Die Anlage, die wir dort mit aufbauen verwertet das entstehende Gas, einerseits für die Stromerzeugung, andererseits soll das Gas auch exportiert werden. Wir begleiten das Projekt gemeinsam mit dem Generalunternehmer Samsung, Betreiber Gazprom und unserem Partner MAN, der die Kompressoranlagen für die Gasverdichtung liefert. Schneider Electric baut und installiert die elektrischen Antriebskomponenten, die für den Betrieb der Kompressoren benötigt werden, welche die Generatorturbinen mit Gas versorgen.
Welchen Sinn verfolgt die Anlage?
Für den Auftraggeber, das irakische Ölministerium, lohnt sich die Verwertung des Gases, das derzeit in einer ca. 80 Meter hohen Stichflamme abgefackelt werden muss. Denn das Gas, das eigentlich als „Abfallprodukt“ bei der Förderung des Öls entsteht, lässt sich natürlich als Energielieferant nutzen, sei es für die Stromerzeugung oder als Brennstoff.
Erklär uns kurz, welche Prozesse in der Anlage ineinander greifen.
Das Öl wird mit ca. 30 Bar Druck aus dem Boden gefördert und landet mit immerhin noch rund 12 Bar in einem Tank. Durch den Druckabfall entspannt sich das Öl und das gebundene Gas wird frei, das dann irgendwo hin muss. Man kann sich das ungefähr wie bei einer geschüttelten Sprudelflasche vorstellen, die man aufmacht. Das freiwerdende Gas wird derzeit noch vor Ort abgebrannt, was natürlich nicht gerade besonders effizient ist.
Die Auftraggeber realisiert daher fünf Gasturbinen, in denen Strom erzeugt wird. Die Technik dahinter: In die Turbinen, die den Strom erzeugen, wird Gas eingespritzt, das vorher durch einen Kompressor hoch verdichtet werden muss. Die Kompressoren ihrerseits benötigen sehr viel Energie, ca. 2 mal 15 Megawatt, bevor sie das Gas entsprechend für die Turbinen aufbereiten können. 30 Megawatt, also 30 Millionen Watt, entsprechen ungefähr der Leistung von 600.000 Glühbirnen, 15.000 Bügeleisen oder 187.000 Kühlschränken – eine ordentliche Menge Strom.
Und wo kommt Schneider Technologie ins Spiel?
Wir liefern die zwei 15 MW Mittelspannungsfrequenzumrichter für die Drehzahlsteuerung von Hochleistungselektromotoren. Damit stellen wir sicher, dass die Kompressoren problemlos laufen und das Gas für die Turbinen verdichten, die ihrerseits dann den Strom erzeugen.
Wie hast du deine ersten Stunden im Irak verbracht und wie hast du dich dabei gefühlt?
Die Einreise in den Irak ist nicht ganz einfach, es gibt einiges an Papierkram zu erledigen, wenn man technische Komponenten für eine ganze Anlage verschifft. Das gilt auch für die einreisenden Gäste – bis man abgefertigt ist, vergeht Zeit. Wir sind in Bagdad gelandet und wurden direkt am Flughafen schon von einem Security Team übernommen, das uns zu dem Konvoi von vier schwer gepanzerten Toyota Geländewagen geführt hat, die sogar schusssichere Reifen haben. Vor Ort legt jeder Fahrgast eine 10 kg schwere Sicherheitsweste an.
Uns ist bei der Fahrt durch Bagdad direkt das Getriebe und später ein Reifen kaputtgegangen, den wir dann in der Wüste gewechselt haben. Dabei sind wir immer in der Gruppe geblieben! Expeditionen auf eigene Faust oder Pinkelpause um die Ecke waren aus Sicherheitsgründen strikt untersagt. Unterwegs zum Baustellen-Camp passiert man zig Checkpoints, die mit Wachleuten und Spürhunden besetzt sind. Das gibt einem schon ein beklemmendes Gefühl, aber die Sicherheitskräfte bringen dir auch bei, wie du dich richtig verhalten solltest und nach einiger Zeit werden die Vorkehrungen fast schon Routine. Letztlich lernt man auch, wie man im Extremfall funktionieren muss, wo der Panikknopf im Fahrzeug ist, der per GPS ein Notfallsignal absendet oder wie man aus dem ständig verriegelten Geländewagen rauskommt, sollte es drinnen doch mal ungemütlicher sein, als draußen.
Wie müssen wir uns das Leben im Camp vorstellen?
Auch das Camp ist extrem gesichert, es gibt einen Stacheldrahtzaun und zwei vier Meter hohe Betonmauern mit Wachtürmen. Natürlich muss man auf dem Weg dorthin wieder einige Checkpoints passieren. Im Camp selbst kann man sich aber frei bewegen. Ich habe in einem Container mit Einzelzimmer gewohnt, ausgestattet mit Bett, Schrank, Schreibtisch, Waschbecken und Dusche – und einer extrem instabilen Internetleitung, sobald abends alle Handwerker wieder im Camp sind.
Es wohnen ca. 2.000 Menschen im Camp, vorwiegend ca. 1.500 Inder, ungefähr 100 Russen, 150 Koreaner, 150 Iraker und einige wenige Europäer. Im Camp gibt es Restaurants und einen kleinen Laden, in dem man Snacks und Dinge des täglichen Bedarfs kaufen kann, also alles von der Socke bis zur Schokolade. Das Essen wird landestypisch aus den Herkunftsländern der Arbeiter gekocht, also vor allem indisch und koreanisch, und ist wenig abwechslungsreich. Blöd war, dass mir das indische Essen viel zu scharf war und ich die koreanische Küche daher jetzt sehr gut kenne. (lacht) Es gibt einen Wäscheservice, der morgens die Wäsche abholt und abends bringt – und den braucht man auch, denn der Staub steckt dir in allen Poren, abends ist einfach alles dreckig!
Die Distanz zwischen Camp und Baustelle beträgt ca. 16 km, dazwischen: Wüste.
Was ist dein Job bei dem Bauprojekt?
Ich bin Supervisor und Feuerwehrmann in einer Person! (lacht) Nein Spaß, ich beobachte den Baufortschritt in meinen Bereichen, überblicke die ganze Situation und helfe eben an der einen oder anderen Stelle nach, wenn es klemmt. Bei so einem riesigen Projekt gibt es viele Unabwägbarkeiten, in denen man besonnen und spontan reagieren muss. Bevor die Anlage zu 100 % in Betrieb geht, müssen Testläufe gefahren, viele Messungen gemacht und kleine Startschwierigkeiten behoben werden. Und hier setze ich eben mein Know-how ein, dass ich mir in über 40 Jahren Berufspraxis angeeignet habe.
Und wie sieht es auf der Baustelle aus?
Das Konstrukt besteht aus sehr sehr vielen Rohren! Im Bereich der Anlage muss man sich mit Sicherheitspässen bewegen. Interessant ist, dass die Handwerker ihr Werkzeug und andere benötigte Geräte immer im Rucksack mit sich tragen, weil es vor Ort kein Transportmittel dafür gibt. In den sicherheitsrelevanten Zonen gibt man dann auch sein Handy ab oder trägt – je nach Bereich und Testfortschritt – Atemschutz.
Fast 5.000 Kilometer weit weg von Zuhause – was bleibt dir, abgesehen von der Arbeit, besonders in deiner Erinnerung haften?
Was ich kurios fand: Die indische Belegschafft tritt morgens zum Appell mit Frühsport im Camp an, aber auch nur die Inder! Vor den Containern versammeln sich die Jungs und ein Anheizer mit Megaphon macht mit ihnen gemeinsam die Morgengymnastik, bevor es geschlossen zu den Bussen zur Baustelle geht. Und: Die koreanischen Mitarbeiter machen ganz offiziell in ihrem Großraumbüro mittags das Licht aus und halten einen 30-minütigen Mittagsschlaf. Und das ziehen die auch eiskalt durch, wer es nicht rechtzeitig aus dem Büro schafft, tappt im Dunkeln! (lacht)
In der Nähe der Baustelle gibt es einen „Supermarkt“, in dem tagsüber richtig viel los ist. Hier kann man von Badelatschen bis Keksen alles erwerben, aber auch gemütlich zusammensitzen und Tee trinken. Von außen sieht dieses Geschäft verfallen und verlassen aus, drinnen tobt das Leben. Außerdem habe ich einen Inder getroffen, der seit 17 Monaten seine Familie nicht gesehen hatte, da er sich gegen den Urlaub und für das Geldverdienen entschied. Dieser Kollege hat sich sogar sein Flugticket auszahlen lassen und das Geld seiner Familie geschickt. Ich finde es beeindruckend, wie die Menschen, die ich kennengelernt habe, die Gegebenheiten annehmen und es lässt mich demütig auf unsere Situation hier in Deutschland blicken, wenn wir mal wieder was zu meckern haben.
Zur Person
Klaus-Peter Gluth, 59, ist Elektromeister und seit 1989 bei Schneider Electric. Angefangen hat er im Bereich Antriebstechnik / Motion Drives und übernahm 2007 die Serviceleitung, bis er schließlich 2016 als Service-Experte in den Bereich Business Industrie wechselte. Hier arbeitet er eng mit dem Bereich Qualitätsmanagement zusammen.
Was Klaus bei Schneider Electric besonders gut findet: „Ich liebe die volle Flexibilität und meine maximale Freiheit, natürlich in Übereinstimmung mit den Unternehmenszielen. Dir redet keiner rein, aber eins ist klar: Bring dein Projekt gut zum Abschluss und zwar mit einem sauberen Ergebnis.“
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