Die Verkehrswende ist in vollem Gange und die E-Mobilität in aller Munde. Es wird viel diskutiert, doch der Wechsel vom Verbrenner- zum Elektromotor verläuft schleppend – doch könnten wir nicht schon viel weiter sein? Unser Kollege Manuel Roddelkopf zeigt uns, wo die Herausforderungen liegen, wer sich jetzt kümmern müsste und warum wir mehr dezentrale Lösungen brauchen.
Hallo Manuel, du bist Projektmanager im Bereich Smart Grid. Wie würdest du deinen Job jemandem erklären, der keine Ahnung von dem Thema hat?
Tja das ist immer gar nicht so einfach in unserem Bereich. (lacht) Also es gibt Stromnetze, die als Kundennetze gelten und sich beispielsweise auf Arealen befinden. Der Strom wird innerhalb dieses Areals bzw. dieses Netzes zum Teil selbst, zum Beispiel durch Photovoltaik, erzeugt und auch verbraucht, beispielweise durch Elektro-Mobilität. Nur wenn mal ein Engpass besteht, kann das öffentliche Stromnetz hinzugenommen werden. Was aber in dem Kundennetz passiert, hat bislang keinen interessiert und konnte auch keiner so wirklich handhaben.
Dieses dezentrale Netz mit den neuhinzukommenden lokalen Erzeugern und Verbrauchern muss aber auch, wie das öffentliche Netz, gemanagt werden. Um dem Areal die Verantwortung des Netzbetriebs abzunehmen, bedarf es Steuerungs- und Automatisierungstechnik. Dabei sind alle technischen Elemente smart, also die Ladesäule des Elektroautos kann mit der Photovoltaik-Anlage reden und umgekehrt oder auch mit einem Energiespeicher, der dazwischenliegt. Wenn alle Akteure des Netzes miteinander sprechen können, ist die erste Voraussetzung für ein Smart Grid erfüllt.
Nun benötigt dieses Smart Grid aber noch eine Management-Plattform, über die die gesamte Kommunikation geordnet, sortiert und aufbereitet stattfinden kann. Ansonsten sprechen alle Elemente des Netzes durcheinander und keiner versteht den anderen. Erst die Plattform macht das Netz smart – und mit diesen Plattformen arbeite ich.
Dank aufstrebender Marken wie Tesla oder der i-Reihe von BMW, die die Elektromobilität hip und sexy machen oder auch dem Dieselskandal 2017, scheint der Wunsch zum Wandel aktueller denn je. Was hat denn die E-Mobilität mit dem Smart Grid zu tun?
Zusätzlich zur Energiewende begeben wir uns gerade auch in die Verkehrswende – Eine zweite große Herausforderung, die wir gerade parallel mit angehen. Mit der Elektromobilität kommt ein neuer Verbraucher an das Stromnetz, welcher besondere Voraussetzungen an die Nutzerfreundlichkeit wie auch an die Verfügbarkeit hat. Unsere Aufgabe als Schneider Electric ist es, die Infrastruktur dahinter zu betrachten und Probleme zu lösen, die auftreten könnten. Wir sind es, die Elektromobilität in dezentralen Netzen aufbauen, das heißt nicht im öffentlichen Straßenraum, sondern eher auf abgegrenzten Arealen. Das kann der Berliner EUREF-Campus sein, Flughäfen oder auch ganze Stadtquartiere. Derzeit ist es so, dass deren Energieinfrastruktur bei ihrem Strombedarf auf ihren Personenbetrieb ausgelegt sind, nicht aber auf Elektroautos. Da setzen wir an und erklären, wie viel Elektromobilität mit der vorhandenen Infrastruktur möglich ist. Darüber hinaus versuchen wir immer, die erneuerbaren Energien und Energiespeicher in die Stromverteilung technisch und wirtschaftlich sinnvoll zu integrieren.
Warum der zusätzliche Anschluss von erneuerbaren Energien?
Eine typische Begleiterscheinung der Verkehrs- und Energiewende ist die sukzessive Mehrbelastung des lokalen Stromnetzes, das natürlich beim Bau nicht darauf ausgelegt wurde. Wir kennen ja alle die „normale Steckdose“ aus dem Hausgebrauch – mit den dort fließenden Strommengen müsste man das E-Auto sehr lange laden, für die meisten Nutzer wäre das inakzeptabel. Faktisch wird sehr viel Strom auf einmal von den Batterien aufgenommen, um die Ladezeiten zu verkürzen. Das erfordert eine große Bereitstellung von Leistung, die oft durch die lokalen Netze nicht abgedeckt werden kann. Wir empfehlen daher immer: Nehmt euch erneuerbare Energien mit dazu und schon ist mehr Leistung im Netz. So setzen wir das auch hier auf dem EUREF-Campus mit der „ZeeMo Base“ um: Lokale Erzeugung für den Bedarf lokaler Verbraucher.
Öffentliche Netzbetreiber und andere Hersteller von Ladesäulen setzen auf eine zentrale Infrastruktur, während Schneider Electric eher auf dezentrale Lösungen baut. Ergänzen sich diese Herangehensweisen oder stehen sie in Konkurrenz?
Beides hat seine Daseinsberechtigung. Ich vergleiche das gerne mit dem Parkraum: Da haben wir einerseits dezentrale Parkhäuser, die privat betrieben werden und anbieten, Autos gegen Bezahlung abzustellen. Andererseits haben wir Parkplätze im Straßenbild mit einem Parkscheinautomaten, in den ich eine Münze einwerfe und eine Stunde stehen bleiben kann. Beides verhilft zu Parkraum und dennoch sind die Konzepte unterschiedlich.
Genauso ist es mit der Ladeinfrastruktur: Die öffentliche Ladestruktur benötige ich, wenn ich mein Auto mal schnell irgendwo anschließen will. Die meisten Ladevorgänge laufen jedoch am Start oder am Endpunkt einer Strecke ab. Startpunkt ist beispielsweise das eigene Zuhause und der Endpunkt der Arbeitgeber, das Einkaufszentrum oder die Stadtverwaltung. Alle Bereiche, die dazwischen liegen, benötige ich eigentlich gar nicht. Bei langen Strecken, sagen wir zwischen Berlin und München, ist es schön, wenn ich in Nürnberg noch einmal zwischentanken kann. Die meiste Zeit bietet sich jedoch dezentrale Ladeinfrastruktur am Start- oder am Zielort an.
Dann liegt es jetzt also bei den Arbeitgebern, den Einkaufszentren oder öffentlichen Einrichtungen, dass sie diese die Ladeinfrastruktur bereitstellen?
Das ist definitiv eine Herausforderung für Gewerbe und öffentlichen Sektor. Nehmen wir das Einkaufszentrum, das in seinem Parkhaus Lademöglichkeiten anbieten will: Dieses Parkhaus wurde elektrisch ausgelegt für Licht, den Parkautomat und die Schranke. Beim Bau wurde die Elektromobilität meist nicht berücksichtigt. Aus der technischen Sicht muss da erst einmal nachgebessert werden, beispielsweise benötigt der Betreiber neue Leitungen und Energiemanagementsysteme, die für die hohen Stromleistungen ausgelegt sind.
Aus der wirtschaftlichen Sicht ist die Fragestellung noch einmal eine andere: Warum sollte ich, als Einkaufszentrum, überhaupt Ladeinfrastruktur anbieten? Zum einen gibt es da den Marktdruck, das heißt, wenn ich das nicht anbiete, bleiben mir früher oder später die Kunden weg. Zum anderen kann das aber auch ein Geschäftsmodell werden. Der Einzelhandel bietet heute schon Rabatte, wenn Kunden die Ladesäulen auf dem Parkplatz nutzen. Eine weitere Möglichkeit ist, die Ladung kostenfrei anzubieten, wenn im Laden für 30 Euro eingekauft wird. Und wenn das Auto draußen lädt, bleibt der Kunde auch länger im Geschäft.
Auch für Vermieter ist es interessant, den Mietern Lademöglichkeiten anzubieten. Schließlich wollen die Menschen in zukunftsfähigen Quartieren oder Wohnungen wohnen, gerade in urbanen Regionen ist das Thema Carsharing und Elektrobikes stark im Kommen. Wenn da E-Mobilität mitgedacht wurde, ist dies ein Standortvorteil, eine Investition, die sich lohnt.
Für jemanden, der bislang Kaufhäuser oder Wohnungen gebaut hat, klingt es nicht so einfach, nun auch E-Mobilität zu berücksichtigen.
Aus diesem Grund sollten die Energieversorger und Netzbetreiber immer mit an Bord sein. Die Wohnungsbaugesellschaften haben ihre Kernkompetenz im Vermieten von Wohnungen, der Discounter darin, Produkte zu verkaufen und der Energieversorger sowie Netzbetreiber kann nun mal Energiedienstleistungen anbieten. Die Akteure müssen da auf jeden Fall miteinander sprechen, ihre Interessen einbringen und sich einigen. Das ist manchmal die größere Herausforderung.
Was ist denn in dieser Konstellation die Rolle von Schneider Electric?
Wir sind immer noch ganz klassisch der Lösungsanbieter für Ladeinfrastruktur. Dabei sprechen wir aber nicht nur von der Säule, sondern auch von der ganzen Infrastruktur dahinter. Also wenn der Bauherr oder der Investor entscheidet auch lokale Energie, wie Photovoltaik, mit aufzunehmen, binden wir diese in Gebäuden und Arealen sinnvoll mit ein, legen sie an und managen sie.
Zum anderen bietet Schneider Electric auch eine Beratungsleistung an. Wir analysieren Stärken und Schwächen und können eventuelle Chancen aber auch Herausforderungen diskutieren. Außerdem gibt es eine ganze Reihe von Fördermöglichkeiten, die komplex und schwer zu meistern sind. Auch hierbei sind wir beratend tätig.
Könnten wir nicht schon viel weiter sein. Warum bieten nicht schon viel mehr Akteure diese Lösungen an?
Ich beantworte das mal aus der Sicht von Schneider Electric: An uns liegt es nicht! (lacht) Elektromobilität kann in den meisten Fällen eingebunden werden, ohne das Netz zu überlasten. Ganz allgemein könnten wir, aus rein technischer Sicht, schon viel weiter sein: Es gibt Schnelllader, wie Porsche sie herstellt, man könnte induktiv, das heißt kontaktlos, laden und und und. Vor der größeren Aufgabe stehen die klassische Energiewirtschaft und die Politik. Die neigen noch etwas zur Langsamkeit, bremsen hier und da im Prozess und haben vielleicht auch nicht den langfristigen Blick. Auch medial kommt die E-Mobilität oft nicht gut weg: „Hilfe ich komme nicht nach Hamburg und zurück“. Das schürt natürlich auch Angst beim Verbraucher. Da könnte man durchaus positiver Vorangehen, dann würden auch die Bedarfe weiter wachsen und damit Preise sinken.
Aber gehen wir mal zurück ins Jahr 2009: Da war der Bedarf für ein Smartphone auch noch nicht da – heute ist es für uns selbstverständlich, mobil Mails zu schreiben oder Bahntickets zu kaufen. Der Markt muss sich entwickeln und zwar nachhaltig. Im Moment könnte man fast befürchten, dass wenn die Förderung vom Staat wegfällt, auch der Markt wegbricht. Da müsste man ganz anders herangehen und weitere Anreize für den Verbraucher bieten, aber dazu sitzen die Lobbyisten immer noch zu fest in den entsprechenden Gremien. Zudem wird mit dem Bau des Verbrennermotors auch noch sehr viel Geld verdient, alleine in der Forschung und Entwicklung werden Milliardenbeträge umgesetzt. Ein Elektromotor ist nicht so komplex, kein Getriebe, keine Kupplung – Die Branche muss alternative Lösungen finden, das Geld an anderer Stelle wieder reinzuholen. Und diesen unangenehmen Gedanken schiebt man eben gerne auf die lange Bank.
Medial taucht auch wieder die Brennstoffzelle auf. Werden sich E-Mobilität und Wasserstoff Motoren ergänzen oder in Konkurrenz treten?
Es sagt niemand, dass wir jetzt von heute auf morgen alles von Diesel und Benzin auf Elektromobilität umstellen müssen. Genauso gut könnte das eine Übergangslösung sein oder es wird in Zukunft eine Vielzahl von Antrieben geben, die die konventionellen Antriebe ablösen. Es gibt ja nach wie vor das Erdgasauto oder den Antrieb über LPG, wo noch Effizienzen zu hebeln sind, wie auch Hybride, also Fahrzeuge, die parallel elektrisch und mit Verbrennermotor angetrieben sind.
Und es gibt schon seit Jahrzehnten Autos mit Brennstoffzelle, die immer mal wieder auftauchen und verschwinden. Bislang war die Schwierigkeit bei Wasserstoffantrieben zum einen das hohe Gefahrenpotential – aber mal ganz ehrlich: Auch Diesel, Benziner und Elektroautos haben ein hohes Gefahrenpotential. Auch hier kommt man medial nur schwer dran. Zum anderen braucht man zum Betanken eines Wasserstofffahrzeugs ca. 2,5-fache an Energie mehr als bei einem Elektrofahrzeug. Grund dafür sind die geringen Wirkungsgrade. Aber auch hier ein großes Aber: Wenn wir Überschussstrom haben, können wir, anstatt den Strom verpuffen zu lassen, auch ineffiziente Energie in Form von Wasserstoff erzeugen. Das ist immer noch effizienter und nachhaltiger als die Windräder und Photovoltaikanlagen runter zu regeln, wenn gleichzeitig die Sonne scheint und es windig ist. Und so lange die meisten Elektroautos noch mit Energie, die hauptsächlich aus der Verstromung von Braunkohle oder aus französischen Atomkraft stammt betankt werden, so kann man sich durchaus die Frage stellen, wie weit Lobbyisten und Autobauer ernsthaft bereit sind, diese Technologie alltagsfähig zu gestalten.
Zur Person:
Manuel Roddelkopf hat 2013 ein Praktikum bei Schneider Electric im Rahmen seines Studiums in der Elektrotechnik absolviert. Dabei durfte er direkt auf dem EUREF-Campus seine erste Solaranlage auslegen. „Erstmal dachte ich: ‚Cool ein Praktikum!‘, sagt er selbst dazu, „Dann merkte ich schnell, das ist ein gutes Arbeitsumfeld. Die Leute hier haben Spaß an ihrer Arbeit. Die denken nicht nur innerhalb ihres Konzerns, sondern weiter und über ihren Bereich hinaus, um eben Lösungen anzubieten und nicht nur Produkte zu verkaufen.“ Offenbar passten Schneider und Manuel gut zusammen: Sowohl seine Bachelorarbeit als auch seinen Master in „Industrial Management“ schloss er gemeinsam mit dem Unternehmen ab. Nur vier Jahre nach seinem ersten Praktikum ist Manuel Roddelkopf Projektmanager bei inno2grid, einer Tochter von Schneider Electric und Deutsche Bahn Energie. Ein rasanter Aufstieg, wie er selbst findet, der aber auch Spaß bereitet. „Aus technischer Sicht ist das ein spannender wachsender Markt, auf der menschlichen Ebene ist das hier wie eine große Familie.“, so das Fazit von Manuel, „Und man merkt auch mit der Nähe zur Geschäftsleitung, dass die Vision einfach stimmt.“
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