Schneider Electric Experte Carl Tille ist überzeugt: In Zukunft wird sich die Selbstversorgung mit Energie nicht nur in immer mehr Haushalten durchsetzen, die „autarke Energieversorgung“ ist sogar für die Umsetzung der Energiewende notwendig. Wir haben uns mit ihm getroffen und über energieautarke Systeme, politischen Willen und seine 25-jährige Laufbahn bei Schneider Electric gesprochen.
Hallo Herr Tille. Einmal vorneweg: Wie würden Sie Ihren Beruf jemandem erklären, der keine Ahnung von der Materie hat?
Bei Schneider Electric arbeite ich im Business Development, also der Geschäftsentwicklung. Ich versuche über alle Bereiche hinweg, Kunden für Schneider Electric zu gewinnen.
Können wir kurz über Ihre Laufbahn reden? Welchen Hintergrund haben Sie?
Ich bin gelernter Elektriker und habe anschließend an der Fachhochschule Hannover Elektrotechnik studiert. Zusätzlich habe ich eine Ausbildung zum Elektro-Meister gemacht. Seit 1983 bin ich Dipl. Ing. der Elektrotechnik. Meinen ersten Job hatte ich einem Unternehmen, das damals schon Energieeffizienz durch Wärmepumpen schaffen wollte. An dem Punkt, an dem wir heute sind, waren wir also schon mal. Später war ich dann bei einer Firma für Interfacetechnik. Anschließend habe ich in den USA große Generatoren für Wasserkraftwerke verkauft, bis ich schließlich, vor 25 Jahren, bei Merlin Gerin angefangen habe. Merlin Gerin wurde dann durch Schneider Electric übernommen.
Es soll in unserem Gespräch heute um energieautarkes Leben, beispielsweise in Wohnsiedlungen, gehen. Was verstehen Sie unter dem Begriff „Energieautarkes Leben“?
Eigenerzeugung von Energie, sei es Strom, Wasser oder Wärme. Was die Selbstversorgung mit Strom betrifft, sollte vieles klar sein. Aber auch Wasser aus der Regentonne oder Grundwasser kann man nicht einfach benutzen. Es muss aufbereitet werden. Die benötigte Aufbereitungsanlage inkl. Pumpe könnte man dann zum Beispiel mit Solarstrom betreiben und das Wasser mit der Sonnenenergie auch gleich aufheizen. Bestenfalls hat man dann noch einen Energiespeicher im Haus – damit ist man im Prinzip schon autark.
Sie präsentieren Investoren die Möglichkeiten, die Schneider Electric Technologie bietet und finden Lösungen für die Kunden. Interessieren sich heute schon Investoren für autarke Systeme?
Äußerst selten. Für den Investor sind in erster Linie die Entstehungskosten interessant. Die Verbrauchskosten interessieren da erst in zweiter Linie. Alles das, was zur Zeit mehr Kosten verursacht, als die Standard-Techniken, ist aktuell noch schwer zu vermarkten, aber das Interesse wächst und wir sehen immer öfter innovative Investoren.
Welche Technik ist denn notwendig, um ein energieautarkes Leben zu ermöglichen?
Man benötigt ein Solarpanel, einen Wechselrichter, der aus dem Gleichstrom des Solarpanels Wechselstrom für den Haushalt macht und einen Energiespeicher, also zum Beispiel eine Batterie. Zusätzlich bräuchte man einen Schalter, der die zu versorgende Einheit vom konventionellen Netz abkoppelt, damit das Haus unabhängig davon im Inselbetrieb weiter mit Strom versorgt wird. Für das vorhandene Elektroauto bedarf es dann noch einer Ladestation. Für alle Fälle sollte man noch ein Windrad aufbauen, um auch erneuerbare Energie zur Verfügung zu haben, wenn gerade keine Sonnenenergie zur Verfügung steht. Überschüssige Energie, also der Strom, der nicht mehr von der installierten Batterie oder dem Elektroauto aufgenommen werden kann, nutzt man dann um den Warmwasserspeicher aufzuheizen. Diese Energie kann man dann zum Beispiel in die Heizung einspeisen, um die Wärmepumpe zu unterstützen. Dann habe ich, wie eben schon gesagt, meine Pumpe für den Brunnen und mein aufgefangenes Regenwasser benutze ich für die Toilettenspülung.
Bei all dieser Technik, wo steckt denn da Schneider mit drin?
Wir werden oft gefragt, was Schneider Electric eigentlich macht. Leichter zu erklären ist, was Schneider Electric nicht macht: Wir erzeugen nämlich keine Energie und wir verbrauchen keine Energie. Wir haben nicht den Verbraucher mit der Energieklasse A und wir haben nicht das Solarpanel oder den Generator im Programm. Unser Leistungsspektrum beginnt, nachdem die Energie erzeugt wurde, sei es durch ein Solarpanel oder durch einen Generator und endet an der Steckdose. Dazwischen machen wir die Energie durch unsere Technik und Lösungen verfügbar, sauber und zuverlässig und können durch unsere Steuerungstechnik sowie Energiemanagementsysteme etc. bis zu 30 Prozent der Energie einsparen.
Was müssen diese Netze zwischen den Geräten denn leisten können? Sind „smarte Netze“ erforderlich?
Ja na klar. Alle unsere Geräte können miteinander vernetzt werden und die Vernetzung der Dinge ist komplett in unserem Alltag angekommen. Die Geräte können kommunizieren; es muss nur jemand mit ihnen kommunizieren. In einem intelligenten Stromnetz kommunizieren die Geräte, Erzeuger und Verbraucher, miteinander. Das nennt sich „Smart Grid“. Wir sind mit unseren Geräten und Lösungen „Smart Grid-Ready“.
Was meinen Sie damit?
Wenn ich wieder bei der Autarkie bin, muss ich darauf reagieren, wenn ich zu viel Energie habe: Es scheint zu viel Sonne und es weht zu viel Wind für das, was ich verbrauche. Im Moment schalten wir in diesem Fall, deutschlandweit betrachtet, einfach ab. Oder Deutschland verkauft den Überschuss für wenig Geld nach Frankreich. Wenn wir da intelligente Netze hätten, könnten wir das Übermaß an Strom ganz einfach in einen Energiespeicher leiten oder in ein Elektroauto. Aber für solche Netze müssen alle wollen, auch auf politischer Ebene, und alle müssen miteinander reden. Wir bei Schneider Electric sind jedenfalls soweit.
„Wir brauchen neue Geschäftsmodelle, um den Einnahmeausfall für Staat und Energieversorger, der durch Selbstversorger verursacht wird, zu kompensieren.“
Mal angenommen, ich habe ein energieautarkes Haus, mit Batterie und Solarpanel und allem. Muss ich mit starken Schwankungen in der Versorgung rechnen?
Die Versorgung ist ja da, aber die Energie muss gemanaged werden. Wenn nicht genug Energie zur Verfügung steht, dann können nicht alle Verbraucher im Haus gleichzeitig betrieben werden. Sprich, ich kann nicht gleichzeitig die Waschmaschine laufen lassen, den Trockner benutzen, dann dazu etwas auf dem Elektroherd zubereiten, dabei die Sauna schon mal aufheizen lassen und parallel das Elektroauto aufladen! Mit einem Energiemanagementsystem kann man dafür sorgen, dass die Verbraucher gesteuert werden gehen – intelligent, je nachdem wie viel Energie zur Verfügung steht.
Das macht übrigens auch schon Sinn, wenn die Anlage nicht autark ist. Es gibt Bedarfsspitzen, beispielsweise in der Halbzeitpause eines WM-Finals, wenn alle gleichzeitig auf die Toilette gehen. Da gerät das Wassernetz an seine Grenzen. Das gleiche gilt auch für das Stromnetz: Wenn ganz viele Geräte gleichzeitig am Netz sind, ist das eine starke Belastung. Mit intelligenter Steuerung sowie Energiemanagement könnte man diese Lastspitzen vermeiden.
Könnten wir heute schon so ein Projekt verwirklichen?
Ja!
In Deutschland?
Ja!
Ist der Preis das bislang größte Problem für die Umsetzung solcher Projekte oder gibt es auch Hindernisse aus politischer Sicht?
Ja, zum einen ist es zu teuer für den Investor. Auf der anderen Seite ist es von der Politik noch nicht so richtig gewollt. Es müssen neue Geschäftsmodelle entstehen, um den Einnahmeausfall für Staat und Energieversorger, der durch Selbstversorger verursacht wird, zu kompensieren.
Wie stellen Sie sich die Zukunft vor? Wird es mehr energieautarke Siedlungen abseits der Standardversorgung geben? Ist dies eventuell sogar notwendig?
Das geht ja mit den Solaranlagen los, die jetzt überall auf den Dächern zu sehen sind. Die große Herausforderung der Energiewirtschaft wird das Umstellen von einem Kraftwerk, das am Anfang des Netzes steht und seine Energie zum Verbraucher bringt, zu einem Zwei-Wege-Netz umzubauen. Der Endkunde verbraucht nicht nur Strom wie in der Vergangenheit, er produziert auch Strom. Das Stromnetz wird so immer dezentraler, es wird von allen Seiten Energie ins Netz gespeist. Da wird es notwendig, dass auch alle Teilnehmer miteinander vernetzt werden. Im Moment kann der selbstproduzierte Solarstrom, der „unabgestimmt“ ins Netz gespeist wird, zu einem Störfaktor werden. Nicht umsonst wurde die Eigenverbrauchsvergütung erhöht, um das Netz nicht unnötig zu belasten.
In Zukunft kommt Strom aus allen Richtungen, von Wind, Solar, Wasserkraft oder Biogas. Das macht die Steuerung viel schwieriger. Auch da werden neue Modelle entstehen. Mieterstrom zum Beispiel: Der Nachbar hat ein Solarpanel und produziert mehr Strom als er verbraucht. Warum nicht diese Energie an seinen Nachbar ausleihen, so wie man heute Eier beim Nachbarn borgt? Nur muss der Gesetzgeber die heute bestehenden Regularien dafür anpassen. Gerne Lade ich Sie nach Berlin auf den EUREF-Campus (Europäisches Energie Forum) ein. Dort erklären wir an Modellen die Energiewende und wie wir sie umsetzen.
Sie sind jetzt schon seit 25 Jahren bei Schneider Electric. Was meinen Sie, ist für Sie der Hauptgrund, weshalb Sie schon so lange dabei sind?
Bei Schneider ist einfach immer Innovation, immer gibt es was anderes und neues, nie ist es langweilig gewesen. Wir sind mit den verschiedenen Bereichen wie eine große Patchwork-Familie. Das ist, als hätte ich in den 25 Jahren 25-mal die Firma gewechselt.
Abschließende Frage: Haben Sie Spaß an ihrem Job?
Aber natürlich! Das hat man hoffentlich in unserem Gespräch gehört. Es ist natürlich ab und zu mal rumpelig, aber im Großen und Ganzen ist wirklich alles gut.
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