Daniel Shafie leitet für Schneider Electric am Standort in Wiehl den Bereich Verkaufsförderung und führt ein Team von sechs Kolleginnen und Kollegen. Im Juni 2015 erlitt Daniel einen Sportunfall, eine starke Schädigung seiner Halswirbel führte zu einer Querschnittslähmung, seitdem ist er ab dem Brustbereich querschnittsgelähmt und verfügt über eine eingeschränkte Handfunktion. Obwohl es mit dieser Behinderung nahezu unmöglich ist, den bisherigen Beruf wie vor dem Unfall auszuüben, haben wir gemeinsam mit ihm Lösungen gefunden, um ihn als sehr guten Mitarbeiter zu halten und Daniel die Rückkehr in seinen Job zu ermöglichen. Daniel kehrte Anfang 2016, nach nur sieben Monaten Reha, in seinen Beruf zurück. Im Interview erzählt er, wie sich sein Handicap auf den beruflichen Alltag auswirkt und warum es sich lohnt, sich wieder ranzukämpfen.
Daniel, dein Job erfordert eine sehr hohe Reisetätigkeit. Welche organisatorischen Herausforderungen bringt dein beruflicher Alltag mit sich?
Ich bin beruflich viel unterwegs, das stimmt. Meine Arbeit erfordert eine hohe persönliche Präsenz, sei es bei Kundenbesuchen, Meetings, Messen und nationalen wie internationalen Events. Von einem anderen Rollifahrer habe ich mit Beginn meiner Reha den folgenden Satz gehört: „Ihr seid Rollifahrer, ‚mal eben schnell‘ könnt ihr ab sofort vergessen!“ Und was soll ich sagen, das stimmt. Mein Tag startet mit der Frage: „Wie komme ich von A nach B, wie sieht es an meinem Zielort aus, sind dort Treppen, komme ich durch die Türen, gibt es Toiletten“ und so weiter. Bei den meisten Reisen nehme ich meine Frau mit, sie ist für mich eine enorme Unterstützung.
Ich nutze einen speziell für mich umgebauten Dienstwagen, einen VW Bus, mit dem ich mobil bin. Wenn ich damit unterwegs bin und beispielsweise mal tanken muss, dann dauert das ungefähr 20 Minuten. Anhalten – Zapfhahn rein – zahlen und losfahren geht bei mir nicht. Ich muss erst mal mit dem Sitz rüberfahren, die Rampe runterfahren, die Tür abschließen und erst dann kann ich tanken. Das heißt auch, bei längeren Autofahrten sehr vorausschauend unterwegs zu sein. Hier zuhause habe ich mittlerweile einen Tankwart, der mich kennt. Da dauert das Tanken nur fünf Minuten (lacht).
Wie hat deine Wiedereingliederung ausgesehen?
Die erste Phase habe ich im Home Office verbracht, um wieder in die Themen reinzukommen. Zusammen mit Schneider Electric habe ich dann überlegt, was alles nötig ist, damit ich wieder vernünftig vor Ort arbeiten kann. Um meinen Arbeitsplatz behindertengerecht auszustatten, waren einige bauliche Maßnahmen nötig. Beispielsweise gab es keine Behindertentoilette oder elektrische Türen, diese wurden extra auf meiner Etage eingebaut. Aber auch so banal klingende Sachen wie tiefere Griffe an den Fenstern oder ein elektrisch verstellbarer Schreibtisch waren nötig. Letztlich wurde auf unserem Flur auch noch ein neuer Boden verlegt, ein Ruheraum geschaffen und vor dem Gebäude ein Behindertenparkplatz gebaut. Den Ruheraum nutze ich, wenn ich einen langen Arbeitstag habe und viele Stunden im Rollstuhl sitzen muss – dort kann ich meinen Rücken entlasten. Nachdem der Arbeitsplatz komplett umgerüstet war, stieg ich Schritt für Schritt auch wieder vor Ort in die Projekte ein und bin natürlich seit langem wieder voll dabei.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus?
Bis ich morgens aus dem Haus bin, vergehen 2-3 Stunden. Wenn ich im Büro arbeite, fahre ich mit dem Aufzug in den fünften Stock und dort sind ja alle Räume für mich erreichbar. Dann geht’s eben an den Rechner oder das Telefon. Die Kollegen bringen mir auch mal einen Kaffee oder Essen, denn die Kantine erreiche ich nicht so ohne weiteres.
Wenn ich Auswärts unterwegs bin, muss ich vorher alles mental durchspielen und organisieren: Habe ich ein barrierefreies Zimmer und Badezimmer, wie komme ich zu den Meetings und so weiter. Ich war neulich in Paris und da gab es keinen Parkplatz und die Straße zum Hotel war gesperrt – da musst du eben andere Wege finden, um ans Ziel zu kommen, auch wenn der Trip noch so gut geplant war. Alleine fliegen ist übrigens auch nicht so einfach, schließlich muss der Koffer zum Check-in und nachher wieder zum Auto zurück. Und dann gibt es manchmal auch unvorhersehbare Hürden, wenn beispielsweise eine Abendveranstaltung in einem Restaurant stattfindet, das nur via Treppe erreichbar ist. Du kannst den Veranstalter ja nicht deinetwegen bitten, das Meeting an einen anderen Ort zu verschieben. Ich habe mich auch schon Treppen rauf- und runtertragen lassen, ich bin behindert und das ist einfach so. Übrigens habe ich noch nie von meinem Gegenüber das Gefühl verspürt, dass ich irgendwie anders oder etwas Besonderes bin. Die Leute gehen normal damit um.
Musstest du nach deiner Rückkehr „Barrieren in den Köpfen“ abbauen – Gab es Ressentiments dir oder deiner Leistungsfähigkeit gegenüber?
Es gab keine Ressentiments, ich musste mich nicht erneut beweisen – wieso auch, mit meinem Team habe ich in der Reha schon wieder kommuniziert und mein Team hat von Anfang an zu verstehen gegeben, dass sich die Jungs und Mädels auf meine Rückkehr freuen. Es ist eher andersrum, viele denken „Der sitzt im Rollstuhl, aber das macht ja nix“, tatsächlich muss ich mich zwischendurch aber auch mal entlasten, ich habe ja immer die doppelte Vorbereitungszeit, zum Beispiel, wenn ich einen Tag vorher zum Auswärtstermin anreisen muss, wohingegen sich die anderen Kollegen morgens auf die Reise machen.
Von Anfang an war allen klar: Der Kopf funktioniert! (lacht) Und das ist eben meine Stärke. Wenn sich doch mal jemand fragt, wie man mit meiner Behinderung umgeht, dem kann ich nur sagen: Ich bin völlig entspannt, mir kann man da nicht so leicht auf den Schlips treten. Für mich war es eher anfangs schwierig, mich mitzuteilen. Muss ich mich zurückhalten bei externen Besuchern? Wie erkläre ich, dass ich beim Handshake nicht feste drücken kann? Oder muss ich das überhaupt erklären? Dabei reagieren die Menschen nicht geschockt oder überrascht, wenn ich den Raum im Rolli betrete. Ich brauche eben Unterstützung und die fordere ich ein. Die Kollegen bitten, mir mal die Milch aufzumachen oder einen Kaffee zu holen ist total normal. Ich bin aber auch sehr konkret und direkt, das hilft den Leuten enorm.
Wie sieht dein persönlicher Karriereweg aus?
Ich bin waschechter Ostfriese und habe eine Ausbildung zum Radio- und Fernsehtechniker gemacht, den Beruf gibt es heute so gar nicht mehr (lacht). Danach ein Studium mit Schwerpunkt Elektrotechnik an der Rheinischen Fachhochschule Köln und in Australien. An der RFH bin ich immer noch in einer Mentoren-Initiative engagiert und versuche den Studenten im persönlichen Austausch Tipps für die eigene Karriere zu geben.
Im Jahr 2007 kam ich als Trainee zu Schneider und habe nach ein paar Monaten so lange genervt, bis ich als Außendienstmitarbeiter für den Maschinenbau starten durfte. Über unser Young Potential Programm konnte ich dann erste Führungserfahrung sammeln und danach weitere Stationen durchlaufen. 2013 habe ich meinen MBA an der ESSEC in Paris und der Mannheim Business School abgeschlossen. In meiner jetzigen Position als Leiter der Verkaufsförderung sorgt mein Team gemeinsam mit mir dafür, dass wir die Kundengruppen, wie beispielsweise Installateure, bestmöglich bedienen und unsere Produkte entsprechend gut kommunizieren.
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