Dass gerade die energieintensiven Industrien momentan schwierige wirtschaftliche Zeiten erleben, muss an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Es reicht die Erkenntnis, dass es für den Erhalt langfristiger Wettbewerbsfähigkeit einen nachhaltigen Entwicklungsfahrplan braucht. Unzählige Anlagen der chemischen Industrie müssen in den kommenden Jahren energetisch und verfahrenstechnisch modernisiert werden.
Das Problem ist nur: Selbst wer eine intrinsische Motivation zur Modernisierung mitbringt, stößt in puncto Umsetzung auf vielfältige Probleme. Zur Lösung einiger davon kann die Politik ihren Beitrag leisten, andere wiederum sind eher technologiephilosophischer Natur. Denn die erforderlichen Technologien für eine klimafreundlichere Chemieindustrie sind längst vorhanden. Das, woran es in Praxis scheitert, ist vielmehr die Art und Weise, wie diese Technologien angeboten werden. Denn die ist proprietär.
Problemfall Vendor Lock-in
Proprietär, als Adjektiv für “in Eigentum befindlich“, meint in der Automatisierungswelt den Umstand, dass Hardware und Software nicht – wie in der IT üblich – frei miteinander kombiniert werden können, sondern dass diese immer herstellerspezifisch aneinandergebunden sind. Die SPS-Steuerung von Hersteller A kann auch nur mit der Softwareumgebung von Hersteller A programmiert werden. Fast immer gilt diese spezifische Bindung auch nur für eine Steuerung einer Generation. Direkt nach Erfindung der SPS-Steuerung als Garantie für die verlässliche Funktionsweise einer damals völlig neuen Technologie sinnvollerweise eingeführt, zählen proprietäre Steuerungssysteme bis heute zum Standard in der Industrie.
Mehr als 50 Jahre nach Erfindung der SPS-Steuerung treten die Nachteile dieser Vorgehensweise allerdings deutlich zu Tage. Denn gerade bei Modernisierungen ist der Aufwand enorm: neue Hardware lässt sich nur implementieren, wenn jedes Mal auch eine neue Software geschrieben wird. Außerdem machen die proprietären Strukturen einen herstellerübergreifenden Austausch zwischen den Systemen ungemein kompliziert. Daher bleibt in vielen Anwendungsfällen keine andere Wahl, als in der Welt eines Systemanbieters zu bleiben. Was aber ist, wenn dieser Anbieter eine bestimmte Generation an Hardware plötzlich abkündigt? Oder nicht mehr die Qualität liefert, die für eine zukunftssichernde Modernisierung gebraucht wird? Und ganz grundsätzlich: Wie kann in heterogenen und geschlossenen Systemlandschaften eine übergreifende digitale Vernetzung als Grundlage für mehr Datentransparenz, vorausschauende Wartung, Energieeffizienz oder Produktivität etabliert werden?
Die „andere“ Automatisierung: Universal Automation
Eigentlich nicht wirklich eine Überraschung, aber im Jahr 2024 ist Automatisierung natürlich auch schon anders möglich. Wie genau das funktioniert, haben wir bei Schneider Electric zuletzt auch auf einer der wichtigsten Veranstaltungen der deutschen Prozessindustrie gezeigt, der Hauptsitzung der NAMUR. Dort haben wir eine Demo-Anlage für das Einräumen und Sortieren von Flaschen präsentiert, die wir gemeinsam mit BASF aus Ludwigshafen realisiert haben. Das Besondere daran: Diese Anlage ist nach dem Prinzip Universal Automation automatisiert. Hardware und Software sind hierbei nicht länger herstellerspezifisch aneinandergebunden, denn der einmal erstellte Code kann von Automatisierungskomponenten verschiedener Anbieter ausgeführt werden. Im Fall der Demo-Maschine sind das Schneider Electric und R. STAHL. Die hardwareunabhängige Software kann, ohne Folgen für das Funktionieren der Maschine, entweder von der einen oder der anderen SPS-Steuerung berechnet werden. Wahlweise sogar auch von einem ebenfalls im Schaltschrank befindlichen Industrie-PC.
Die Folge: Fällt eine der Komponenten aus, braucht es zur Aufrechterhaltung der Produktion keine exakt gleiche SPS-Steuerung. Die Schneider-Electric-Steuerung kann sofort problemlos durch eine Steuerung von R. STAHL ersetzt werden und umgekehrt. Übertragen auf eine gesamte Anlage bedeutet das deutlich mehr Ausfallsicherheit und Flexibilität bei der Bevorratung von Ersatzteilen. Hinzu kommt, dass Migration und Integration, die für jede Modernisierung entscheidend sind, durch eine solche Herangehensweise deutlich leichter sind. Holistische Vernetzungsansätze, ressourcenschonende Modularität oder herstellerunabhängige Skalierbarkeit sind bei der Automatisierung ohne proprietäre Systeme kein Problem. Insofern sind wir bei Schneider Electric überzeugt davon, dass Universal Automation eine der entscheidenden Voraussetzungen für eine nachhaltigere und gleichzeitig wettbewerbsfähigere Prozessindustrie ist.
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Über den Autor
Leif Juergensen, Global Commercial Business Development Manager
Mit seiner mehr als 30 Jahren Erfahrung hat sich Leif der Automatisierung verschrieben und in den Bereichen Vertrieb, Business Development und Produktmarketing die erfolgreiche Markteinführung mehrerer Automatisierungssysteme durchgeführt.
Als Innovationstreiber hat er sein umfassendes Branchen-Know-How zum Nutzen der Fabrik- und Prozessautomatisierung eingesetzt. Leif hat sich auch in mehreren ehrenamtlichen Gremien des VDI, ZVEI und der NAMUR engagiert.
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